Elba 2014: Kulinarisches Panoptikum II

Im zweiten Teil des kulinarischen Panoptikums widme ich mich einem Thema, das doch jedes Mal, wenn ich im Hotel Villa Ombrosa absteige, eine nicht unwesentliche Rolle spielt: das Frühstücksbüffet. Zwischen 7.30 Uhr und 10.30 Uhr kann man sich den kulinarischen Köstlichkeiten widmen, die das Dreisterne-Hotel zu bieten hat. Beginnen wir mit den Getränken.

1. Die Kaffeemaschine und das, was sie ausspuckt

Kaffeemaschine links, Cappuccino produzierend
Kaffeemaschine links, Cappuccino produzierend

Wie schon andernorts erwähnt, sind die Italiener das Volk der Kaffeetrinker. Als ich in Baden-Baden war, gab es im Hotel auch ein Frühstücksbüffet. Dort konnte man aber nur wählen zwischen Kaffee und Tee. Wünschte man Kaffee, stellte die Serviererin eine Thermoskanne mit Kaffee auf den Tisch und fertig.

Anders in Italien, wie die Bilder der monströsen Kaffeemaschine belegen.

Auf dem Bild sieht man nur eine der beiden Kaffeemaschinen. Eine identische steht noch auf der rechten Seite. Dazwischen, eingebettet in einem Glaskästchen, zwei Glaskrüge mit Milch, welche für die verschiedenen Kaffeeaufbereitungen von den beiden Maschinen durch zwei Medizinalschläuche angesaugt wird.

Man muss den Maschinen zugute halten, dass sie auch noch andere Produkte ausspucken, als nur gerade Kaffee. Wollen wir doch mal ein Auge werfen auf das, was die beiden Kaffeemaschinen den Hotelgästen an flüssigem Gold in die Frühstückstassen fliessen lassen.


1. Espresso

Espresso ist ein Kaffee, der auch bei uns sehr beliebt ist. Das liegt daran, dass man sich das Wort "Espresso" gut merken kann. Ausserdem ist es leicht auszusprechen und liegt deshalb zuvorderst auf der Zunge. Wenn die Servierdüse nach einem opulenten Mahl an den Tisch kommt und ganz beiläufig fragt, ob man denn noch einen Kaffee wünsche, rutscht das Wort "Espresso" wie ganz von allein heraus. Beim Wort "Cappuccino" ist die Situation viel komplizierter. Man muss sich nämlich lange überlegen, ob das Wort mit einem "p" und zwei "c" auszusprechen sei oder mit zwei "p" und einem "c" oder ob von jedem dieser zwei Buchstaben je ein Exemplar oder deren zwei nötig seien. Deshalb scheut man sich begreiflicherweise, einen Cappuccino zu bestellen und ordert lieber einen Espresso oder weicht auf einen langweiligen "Kaffee crème" aus.

Kaffeebohnen für den Espresso werden lange geröstet. Deshalb ist der Espresso zwar geschmacklich stärker, enthält aber weniger Koffein als der ganz normale Kaffee. Das heisse Wasser wird mit grossem Druck durch das Kaffeepulver in ein winziges Tässchen, kaum grösser als ein Fingerhut, gepresst. Dadurch entsteht auch das von den Espressokennern so heiss geliebte Schäumchen, die "crema". Das Fingerhuttässchen wird grundsätzlich nur zur Hälfte gefüllt. Davon ein Drittel Kaffee und zwei Drittel crema. Das ist sehr praktisch. Um einen Espresso zu trinken, muss man nämlich nur einmal, allerhöchstens zweimal schlucken. Probier das mal mit einem Cappuccino...

Die beiden Kaffeemaschinen liefern einen recht ansprechenden Espresso. Allerdings hat sich die Direktion entschieden - aus Spargründen oder weshalb auch immer - für alle Kaffeesorten eine einheitlich genormte Tasse zur Verfügung zu stellen. Möchte man also zum Frühstück einen Espresso, stellt man eine solche Tasse unter den Zapfhahn und drückt auf die entsprechende Taste, so faucht und zischt es eine Sekunde lang, bis der Espresso in die riesige Tasse tropft. Er verteilt sich sogleich auf dem Tassenboden. Das Gleiche geschieht mit der crema. Beides bedeckt knapp den Boden der Tasse und wenn man zurück am Frühstückstisch ist, stellt man fest, dass der Espresso eiskalt ist.

Anzumerken bleibt noch, dass sich das Schild auf der Kaffeemaschine vor allem an die deutschsprachigen Gäste wendet, denen der Name "Expresso" natürlich viel geläufiger ist als "Espresso"...

2. Cappuccino

Der Cappuccino ist der "Kapuziner" unter den verschiedenen Kaffeesorten der Italiener. Er besteht eigentlich aus einem guten Kaffee mit viel Milch, einer Schaumhaube und, sozusagen als verzierendes Tüpfelchen aufs i, noch ein paar Streusel Schokoladenpulver obendrauf. Doch die Wirklichkeit sieht oft anders aus, wie die Kaffeemaschine im Hotel beweist. Drückt man auf die Cappuccino-Taste, beginnt die Maschine zu rumpeln, blubbern, die Medizinalschläuche zucken, der Milchpegel im Krug neben der Maschine sinkt. Dann zischt eine Dampfwolke aus dem Röhrchen, nebelt die unmittelbare Umgebung der Kaffeemaschine ein und desinfiziert zuerst einmal die Tasse. Und wie auf einen Schlag beruhigt sich die Szene. Aus dem Röhrchen fliesst die aufgeschäumte Milch. Dabei entsteht die Schaumkrone, die bis weit über den Tassenrand hinaus steigt und letzlich dem Cappuccino den Namen gibt. Der stille Beobeachter der Szene fragt sich natürlich jetzt mit Fug und Recht, wo denn in diesem Schaumbad der Kaffee noch Platz habe. Irgendwo in den Eingeweiden der Maschine hört man für den Bruchteil einer Sekunde das Mahlwerk arbeiten. Kurz darauf macht die Maschine "Pfffft, pfffft - - pfffft...". Aus dem Röhrchen tröpfelt ein wenig Kaffee in die Tasse und verschwindet in den unergründlichen Tiefen der Schaummilch. Dann ist es wieder still. Schon will man die Tasse vom Gitter nehmen, da meldet sich die Kaffeemaschine noch einmal zu Wort: "Pfft...". Ein letztes Tröpfechen Kaffee plumpst oben auf den Schaum und hinterlässt einen braun-schwarzen Klecks, der wohl die nicht vorhandene Schokolade-Verzierung symbolisieren soll.

Anzumerken bleibt noch, dass mir der Cappuccino, so wie ich ihn eben beschrieben habe, ganz gut schmeckt. Ich erküre ihn deshalb zu meinem Standard-Morgenbüffet-Getränk.

3. Caffè americano

Beim Caffè americano handelt es sich um das, was bei uns als Filterkaffee bekannt ist. Heisses Wasser tropft durch eine Schicht Kaffeepulver in einen Krug. Dabei entsteht der aromatische Kaffee, dessen Geruch einen empfing, wenn man Oma besuchte.

Manchmal sieht man in den fürchterlichen, amerikanischen Roadmovies, wie die Filmfiguren eine Strassenkneipe betreten, sich hinter einen Tisch auf ein Kunstledersofa quetschen und darauf warten, dass eine Serviererin mit einer bauchigen Kaffeekanne aus Glas vorbeikommt und die Tassen mit dem braunen Gebräu füllt. Das wäre dann eben der "American coffee". Ich habe diesen Kaffee im Hotel nie probiert und kann deshalb auch kein Urteil darüber fällen.

Anzumerken bleibt noch, dass auch dieses Schildchen zweisprachig ist, was Englisch sprechende Gäste, allen voran die Amerikaner, sehr zu schätzen wissen...

4. Cioccolata

Ein einziges Mal drücke ich aus purer Neugierde auf diese Taste. Erst mal geschieht gar nichts. Dann fängt es im Innern der Maschine an zu rumpeln. Kurze Zeit später bekommt man den Eindruck, die Maschine leide an Verstopfung. Sie entlässt eine zähflüssige, braune Masse in die Tasse. Cioccolata. Sieht etwa so aus wie das Schoko-Topping, das bei einem Coupe Dänemark über das Vanilleeis gekippt wird. Irgendwann ist die Tasse zu etwa zwei Dritteln gefüllt und in der Maschine klickt es ein paar Mal. Aha, denke ich, jetzt wird wohl die Milch kommen. Ich warte geduldig eine Viertelstunde. Aber es kommt nichts mehr. Hm, dann wird man die Cioccolata wohl so konsumieren müssen, wie sie jetzt in der Tasse ist. Aber trinken kann man diese Masse nicht. Man muss sie löffeln. Ich nehme deshalb noch einen Löffel und stecke ihn senkrecht in die Cioccolata. Als ich am Tisch ankomme und mich setze, steckt der Löffel immer noch mitten in der Cioccolata. Nicht mehr ganz senkrecht, aber immerhin...

Anzumerken bleibt noch, dass sich diese Schokolade bestens als Medizin gegen Durchfall eignet.

Diese Taste ist unterteilt. Drückt man links, erhält man einen "Langen Kaffee", drückt man hingegen rechts, sprudelt fröhlich ein "Caffè macchiato" in die Tasse. Befassen wir uns zuerst mit dem

5. Caffè lungo

Wer der italienischen Sprache mächtig ist, weiss, das "lungo" lang heisst. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass man für den Caffè lungo eine extra lange Tasse benötigt. Das "lungo" bezieht sich viel mehr auf die Zeit, die man warten muss, bis der Kaffee in der Tasse dampft. Es handelt sich beim Caffè lungo um einen Espresso, der mit ungefähr der doppelten Wassermenge aufgebrüht wird. Doppelt die Wassermenge, doppelt die Zeit, um die Tasse zu füllen, ist doch logisch. Auch logisch ist, dass das Wasser länger mit dem Kaffeepulver in Kontakt ist. Deshalb ist der "Lange Kaffee" meistens ein wenig bitterer als sein kleiner Bruder, der Espresso. Ganz anders verhält es sich mit dem

6. Caffè macchiato

zu Deutsch: "Gefleckter Kaffee". Bei uns ist eher die Variante "Latte macchiato", also "gefleckte Milch" bekannt. Worin aber besteht der Unterschied? Caffè macchiato ist ein Espresso, mit einem Schuss geschäumter Milch. Also ein braune Brühe mit ein paar weissen Tupfern. Dem gegenüber ist Latte macchiato eine Tasse Milch mit einem Schuss Espresso. Also eine weisse Brühe mit ein paar braunen Tupfern. So einfach ist das.

Da der Italiano eher ein Kaffee- und weniger ein Milchtrinker ist, bevorzugt er natürlich den "Caffè macchiato". Das erklärt auch, weshalb die Kaffeemaschine entsprechend angeschrieben ist.

Anzumerken bleibt noch, dass für uns Ignoranten aus dem Norden der Unterschied zwischen Cappuccino und Caffè macchiato nur schwer nachvollziehbar ist

Da wir uns in diesem kleinen Lehrgang ausschliesslich über die italienische Kaffee-Sorten unterhalten wollen, lassen wir die "Latte", also die Milch und das "Acqua calda", also das heisse Wasser beiseite und widmen uns zum Schluss noch dem

7. Orzo

Ich wage mal zu behaupten, dass jeder, dessen Finger absichtlich oder unabsichtlich auf der Taste mit der Aufschrift "Orzo" gelandet ist, sich hinterher gefragt hat, ober er nicht besser in der Küche um eine Tasse Abwaschwasser gebeten hätte. Das wäre auch heiss gewesen, hätte aber sicherlich besser geschmeckt.

Um zu verstehen, weshalb das so ist, muss man wissen, dass "orzo" das italieische Wort für Gerste ist. Jawoll, richtig gelesen. "Orzo" ist Kaffee aus gerösteter Gerste. Ich habe ihn probiert und bei allen Heiligen geschworen, mir eher die Zunge abzubeissen, als jemals wieder auch nur einen einzigen Tropfen dieses widerlichen Gebräus zu tinken. Das war im letzten Sommer. Da wir auf der Terrasse frühstückten, konnte ich glücklicherweise den gesamten Inhalt der Orzo-Tasse, abzüglich des ersten Schluckes, den ich tapfer hinuntergewürgt hatte, in einen Blumentopf schütten, der in der Nähe stand. Ich hatte den Eindruck, dass die Blumen richtiggehend aufblühten und ihre Köpfe dankbar im Winde bewegten. Offenbar hatte der Orzo einen düngenden Einfluss auf die Pflanzen. Ich mochte es ihnen gönnen.

Man stelle sich das mal vor: bei uns wird aus Gerste Bier gebraut und die Italiener verarbeiten ihn zu Kaffee. Aber eben, aus Schaden wird man klug. Seit damals macht mein Zeigefinger einen grossen Bogen um die "Orzo"-Taste auf der Kaffeemaschine.

Anzumerken bleibt noch, dass mit einer "Morgenlatte" keinesfalls eine "Morgenmilch" gemeint ist.

2. Speisesaal und Büffet

Diese verspielte Glaswand trennt den Speisesaal von  der Fernsehecke, in welcher ein grossflächiger TV-Bildschirm beinahe Tag und Nacht zwischen Telegiornale, Casting-Shows und anderen doofen Quiz-Sendungen hin und her wechselt.

Manchmal sitzt der Seiniorchef des Hotels, ein altes, buckliges Männchen mit Anzug und roter Krawatte, vor dem Bildschirm und hält ein wohlverdientes, aber wahrscheinlich ungewolltes Nickerchen, bis ihn ein schrillendes Telefon oder ein rücksichtsloser Hotelgast aus demselben weckt.

Blick in den Speisesaal, welcher im Moment der Aufnahme gerade leer gewesen ist. Das ist nicht immer so. Meistens ist er voll von kauenden, schmatzenden und schlürfenden Touristen. Von den Wänden hallt dann Geschnatter in den verschiedensten Sprachen und so laut, dass man sein eigenes Wort kaum versteht.

Im Hintergrund sieht man das Herzstück des Speisesaales, die beiden Kaffeemaschinen, welche ich oben ausführlich beschrieben habe.

Ja, und dann ist da noch das Büffet mit all seinen lukullischen Köstlichkeiten: Panini, Gipfeli, Toastbrot, Butter, Konfitüre, Honig, Käsli Schinken, Käsescheiben, allerlei Getreideflocken und -körner für Körnlipicker, die es auch in Italien gibt, Joghurt, Früchte und - was besonders spannend ist - jeden Tag stehen da Dolci (Süssigkeiten) zum Verzehr bereit. Von Schokoladen-Mousse über Früchtetörtchen bis hin zu veritaben Torten. Spricht man diesem Büffet kräftig zu, kann man das Mittagessen getrost auslassen.


A propos Kaffee

Wer sich für die verschiedenen Kaffee-Arten und Rezepte interessiert, sei die folgende Internetseite empfohlen: http://www.kaffeezentrale.de/service/kaffeerezepte